Aktuelle Veranstaltungen

Unser Thema im Monat September lautet: „Zwei schwule Leben vor 1969“.

 

Im September 2024 wollen wir zwei Biografien von schwulen Männern präsentieren, die die Weimarer Zeit, die NS-Zeit und die Adenauer-Ära durchlebt haben und die der Berliner Autor, Andreas Sternweiler, Ende der 1990er Jahren erforscht und dokumentiert hat.

 

03.09.2024 Christian Adolf Isermeyer: Liebe, Forschung, Lehre

Lange hatte der Hamburger Kunsthistoriker Christian A. Isermeyer (1908-2001) gezögert, Andreas Sternweiler vom Schwulen Museum Berlin seine Lebensgeschichte zu erzählen. Erst nachdem er 1997 die große Ausstellung „Goodbye to Berlin. 100 Jahre Schwulenbewegung“ gesehen hatte, war er bereit, seine Vorbehalte aufzugeben. In der 1998 im Verlag rosa Winkel erschienenen Dokumentation von Andreas Sternweiler heißt es: „Jetzt sollte sogar vorrangig sein schwules Leben dargestellt werden, und es wurde der Titel 'Wissenschaft zwischen vielen Betten' erwogen, analog zu dem, was sein Psychoanalytiker 1950 Isermeyer gegenüber geäußert hatte“. Nun: es ist keine Kolportage schwuler Bettgeschichten geworden, sondern eine mit vielen persönlichen und beruflichen Details liebevoll gestaltete Biografie eines homosexuellen Kunsthistorikers, der mit Glück und Cleverness die NS-Zeit, den Krieg und auch die „bleierne“ Adenauer-Ära überlebt und dabei kein Vergnügen ausgelassen hat. Die „taz“ schrieb zur Isermeyer-Ausstellung am 13.10.1998: Anders als viele von Verfolgung bedrohte Homosexuelle „scheint Isermeyer wie ein Glückskind durch die wirren Jahre gegangen zu sein, wie er überhaupt sein Leben ganz nach seinen Bedürfnissen ausrichten konnte.“ Michael Holy wird dieses Leben mit Bildern und Texten im Cafe Karussell präsentieren.

 

17.09.2024 Albrecht Becker: Fotos sind mein Leben.

Anders erging es dem gelernten Schaufensterdekorateur Albrecht Becker aus Würzburg. Er wurde kurz nach der Ermordung des SA-Chefs Röhm wegen einer homosexuellen Beziehung zu dem Direktor des Würzburger Staatsarchivs, verhaftet, von der Gestapo verhört und im Frühjahr 1935 zu 3 Jahren Haft verurteilt. Im Verhör redete er ganz offen über seine schwulen Beziehungen, weil er zum ersten Mal Argumente zu hören bekam, die ihm neu waren: Homosexualität zersetze die Grundlagen eines Volkes, ja zerstöre den Staat. Er „sieht ein“, dass er für sein „Vergehen“ bestraft werden müsse. Ihm werden hunderte Fotos vorgelegt, alles Jungs aus dem Sportverein, die er nackt fotografiert hatte, ohne sexuell was von ihnen zu wollen. „Ich wollte ja eigentlich nur sehen, was für Schwänze die haben“. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wird er im Mai 1940 zur Wehrmacht eingezogen und kommt nach Rußland an die Front. Auch dort fotografiert er mit seiner Leica leidenschaftlich gerne Männer, beispielsweise seine nackt badendenden Kameraden, die ihm die Abzüge abkaufen. Ende 1943 beginnt er an der Front damit, sich die Schamhaare zu rasieren und selber Tatoos zu stechen. Er entdeckte, dass ihn das sexuell erregt. Während eines Genesungsurlaubs lernte er 1944 den angehenden Filmarchitekten Herbert Kirchhoff kennen, mit dem ihn fortan eine enge Freundschaft verband. Nach dem Krieg arbeitete Becker zunächst als Dolmetscher, dann als Zeichner. Als er im Frühjahr 1947 erfuhr, dass Kirchhoff in Hamburg im Filmgeschäft tätig werden konnte, wurde er dessen Assistent und arbeitete fortan als Szenenbildner u.a. für Helmut Käutner, später auch als selbstständiger Szenenbildner in über 120 Filmen und TV-Produktionen. Neben dieser öffentlichen, künstlerischen Arbeit machte er nach und nach den eigenen Körper zum Kunstwerk, indem er ihn mit immer mehr Tatoos bedeckte. In den 2000er Jahren wird sein masochistischer Fetischismus von jungen Kulturschaffenden und Kunstgalerien neu entdeckt und macht ihn berühmt.

 

Unser Thema im Monat Oktober lautet: „Frauenfeindliches und Frauenfreundliches“

 

01.10.2024 Frauenfeindliches und Frauenfreundliches in der Familie Schopenhauer

Männer haben lange Zeit ihr Selbstverständnis als das „starke“ und „vernünftige“ Geschlecht auf Frauenverachtung aufgebaut. Unser langjähriger Gast Norbert Weis hat sich forschend und schreibend mit der Familie Schopenhauer auseinandergesetzt. Er stellt in seinem Buch „Artur Schopenhauer und die Posaune der Fama“ drei Mitglieder der Familie Schopenhauer vor: die Mutter Johanna Schopenhauer, eine im 19. Jahrhundert sehr berühmte (Reise-)Schriftstellerin; ihre Tochter Adele, die sehr gebildet und künstlerisch begabt, aber aus Sicht der Männer leider hässlich war und deshalb nie heiratete. Sie findet erst gegen Ende ihres Lebens eine andere Frau, die sie mag und von der sie gemocht wurde: die Rheingräfin Sybille Mertens-Schaafhausen. Und natürlich Artur Schopenhauer, Charakterneurotiker und philosophisches Genie in einer Person, der wegen deren verschwenderischem Lebensstil und vielleicht auch aus Neid auf ihre literarischen Erfolge in ewiger Fehde mit seiner Mutter lag. Neben seinem philosophischen Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ hat er 1851 den Essay „Über die Weiber“ verfasst, „das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt.“ Erst als er für die Bildhauerin Elisabeth Ney für eine Büste Modell sass, besann er sich eines besseren. Einem Bekannten vertraute Schopenhauer an „Ich habe nicht geglaubt, daß es ein so liebenswürdiges Mädchen geben würde.“. Aber da war er leider schon alt.

 

22.10.2024 Transfrau Sue Ehmisch: Ein Beispiel für Frauenfreundlichkeit

Erst, seit Frauen angefangen haben, sich beruflich und ökonomisch zu emanziperen und sich und ihre Lebensleistung zu mögen, wurde Frauenfreundlichkeit öffentlich thematisiert, meistens von den Frauen selber. Dass ein als Mann geborener Mensch eines Tages zu seinem Spiegelbild sagen könnte, „Ich bin das nicht!“ und sich entschließt, eine Frau zu werden, wäre bis vor kurzem aber undenkbar gewesen. Erst die Debatte um das „Selbstbestimmungsgesetz“ hat der breiten Öffentlichkeit die Probleme von Trans-Personen ein wenig näher gebracht. Sue Ehmisch (71) hat früh geheiratet, Kinder in die Welt gesetzt und als Elektriker gearbeitet. Schon als Kind hat sie sich eher feminin gefühlt und die Arbeitskollegen haben öfter gefrotzelt: „Benimm dich nicht so weibisch!“ Aber es gab damals in seiner Vorstellung nur zwei Geschlechter: Männer und Frauen! „Alles andere wäre verrückt gewesen!“ Erst mit 65 äußert sie ihrer Frau gegenüber den Wunsch, ab sofort als Frau leben zu wollen. Davor lag ein langer Selbstfindungsprozess. Sie hatte Frauenkleider gekauft, sie heimlich zu Hause ausprobiert und gemerkt, dass sie sich dabei wohlfühlte. Seit 2018 ist sie geoutet und vor einigen Monaten hat sie sich von ihrer Frau getrennt. Sue Ehmisch interessiert sich nicht für Männer, sondern mag Frauen. Inzwischen fehlt sie auf keinem CSD, tritt für queere Vielfalt und gegen Diskriminierung von Minderheiten ein. Die queere Community ist ihre neue Familie geworden. Sue Ehmisch wird uns im Cafe Karussell ihre Lebensgeschichte erzählen.

 

Alle Veranstaltungen finden nach jetziger Planung „live“ im Switchboard statt.

Alte Gasse 36, 60313 Frankfurt am Main, von 14:30 bis ca. 17 Uhr. Die eigentliche Veranstaltung beginnt gegen 15 Uhr.

 

Hygiene-Hinweis: Bei akuten Atemwegsinfektionen bitte zu hause ausruhen und das nächste Mal kommen.

 

Damit wir wegen der begrenzten Sitze im Switchboard (maximal 25 Sitzplätze) niemanden wegschicken müssen, bitten wir um Anmeldung unter cafekarussel@gmx.de.

 

Alle Veranstaltungen dauern ungefähr 1 1/2 Stunden.

Das Switchboard in der Alten Gasse 36 öffnet wie immer um 14:30 Uhr,

die eigentliche Veranstaltung beginnt gegen 15:15 Uhr.

 

Außerdem:

Jeden Dienstag in der Zeit von 14:00 bis 16:00 Uhr bietet ein qualifizierter Berater der AG36 – Schwules Zentrum – telefonische (069) 295959 und persönliche Beratung für homosexuelle Männer 60 plus in der Alten Gasse 36 an.

 

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